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„Techno spielt immer noch eine Rolle“

Interview | taz

Zur zehnten Ausgabe von „Hate“ organisiert das „Magazin für Relevanz und Stil“ einen „Kongress der Möglichkeiten“ im Kunstraum Kreuzberg.

taz: Sind Sie wütende Zeitgenossen?

Hate: Es gibt eine Grundwut auf die Verhältnisse, in denen wir leben, aus denen sich viel Elend ableitet. Wir sind keine von Wut und Hass zerfressenen Leute. Aber Hass sollte man nicht unterdrücken, sondern fragen, warum man wütend wird. Wir geben ihm mit Hate einen Ausdruck. Der Kuschelkurs hilft keinem weiter.

„Hate“ – das sind insgesamt vier Leute?

Neben uns arbeiten die Journalistin Laura Ewert und Johannes C. Büttner, der sich um die grafische Umsetzung kümmert, fest bei Hate. Johannes hat beim Kongress einen großen Teil der Ausstellung kuratiert.

Warum braucht es einen „Kongress der Möglichkeiten“?

Schon mit dem Magazin wollten wir eine Verbindung zwischen Popkultur, Kunst und einem antifaschistischen Grundverständnis herstellen. Wir bewegen uns in verschiedenen Subkulturen, im Journalismus, interessieren uns für Kunst, Fußball und gehen aus. Im Bethanien wollen wir Schnittpunkte schaffen: Den Antifa mit dem Kulturhipster zusammenbringen. Und auf Netzpolitik aufmerksam machen. Der Kongress ist als Experiment angelegt: als Kongress der Möglichkeiten.

Was passiert im Kunstraum Kreuzberg Bethanien?

Am 30. April ist die Vernissage mit einer Schnapsperformance vom Kollektiv „Miami-Bar“, und es gibt Musik. Am 1. Mai bleibt geschlossen. Uns ist das recht, da wir auf die 18-Uhr-Demo gehen. Am 2. Mai geht es weiter mit der Diskussion „Politik als Kunstverhinderer“. Wir haben täglich eine Abendveranstaltung, und am 8. und 9. Mai finden unsere Konferenztage statt. Das zehnte Heft wird produziert und die Ausstellung ist die ganze Zeit über geöffnet. Alle Veranstaltungen sind kostenlos. Zum Abschluss gibt es am 10. Mai die Aufführung des Theaterstücks „Die Internet-Experten“.

Schnapsperformance? Da kommt das Vorurteil wieder, dass Sie in der Partyszene verwurzelt sind.

Ja, das sind wir, wenn auch nicht mehr so stark wie früher. Wir haben unsere Ausgaben durch Partys finanziert, die lang und exzessiv waren. Diese Haltung wollten wir auch als Element abbilden. Techno spielt immer noch eine Rolle.

Woher kennen Sie sich?

Wir kennen uns sowohl vom Politikmachen als auch vom Techno-Ausgehen. Das ist die Grundidee von Hate.

Dafür, dass die letzte Ausgabe bereits 2012 erschienen ist, sind Sie medial immer noch präsent. Liegt das an den sozialen Medien?

Facebook ist unser Blog. Es ist ein schmaler Grat zwischen Leuteerreichen und dem, was man aussagen will. Wir hätten gerne drei Artikel pro Woche geschrieben, haben es aber nicht geschafft. Durch Facebook kann man viele Leute erreichen und Artikel teilen, die man mag. So haben wir das Gefühl beibehalten, was Hate für uns ist.

Wie politisch kann Hass sein?

Er ist 100 Prozent politisch. Hass und Empathie entstehen durch Wahrnehmung. Du schaust dich um und beginnst zu analysieren. Wenn du Verhältnisse analysierst, wird es schnell politisch. Die Festigung des Kapitalismus evoziert einen Hass in uns.

Warum braucht es einen Anglizismus, warum nicht „Hass“-Magazin?

Wir haben überlegt, ob wir uns so nennen. Durch die englische Bezeichnung haben wir eine gewisse Distanz zum Begriff. Und wir wollten uns klar von der rechten Szene distanzieren. Mit „deutschem Hass“ wollen wir nichts zu tun haben.

Sie haben Hate 2007 am Anfang Ihrer beruflichen Laufbahn gegründet. Fehlte seither dann die Zeit für eine Fortsetzung?

Es war eine Sinnfindung, aber es lag auch an fehlender Zeit. Wir arbeiten alle, und zwei von uns haben Kinder. Hate lief immer parallel zur Lohnarbeit.

Mit dem Kongress haben Sie Ihr Ende angekündigt. Warum?

Es ist auf jeden Fall ein Endpunkt von irgendwas. Mit dem zehnten Magazin ist die Printetappe abgeschlossen. Aber konsequent sind wir auf keinen Fall (lachen).

Wenn Sie nach dem Kongress feststellen, Sie möchten Hatefortführen, bräuchte es dann einen neuen Namen?

Das definitiv nicht. Wir können uns immer noch damit identifizieren. Wir sind älter, aber nicht erwachsener und weniger wütend geworden.

Haben Sie für die nächste Ausgabe wieder ein Oberthema?

Der Schwerpunkt liegt auf der Verschränkung von Netzpolitik und Analyse. Die Zusammenarbeit mit dem Chaos Computer Club (CCC) spielt eine wesentliche Rolle, die sich auch in den Elementen des Kongresses widerspiegelt: Es wird einen Raum geben, der sich mit dem Darknet auseinandersetzt, und ein Hackerinnen-Lab.

Wie sieht die Kollaboration mit dem CCC genau aus?

Einmal greifen sie uns finanziell unter die Arme, sie helfen uns infrastrukturell mit Logistik, Planung und bei den Workshops. Die meisten Veranstaltungen werden von Frauen gehalten. Fiona Krakenbürger vom CCC kuratiert das Hackerinnen-Lab (bei dem feministisch interveniert werden soll), und Elisabeth Giesemann leitet einen „Wikipedia Edit-a-thon“, der sich Einträge von Frauen, die deutlich unterrepräsentiert sind, widmet.

Auf den Flyern präsentieren Sie einen „Puppenmenschen“. Was hat es damit auf sich?

Das ist der Möglichkeitsmensch, der ethnien- und geschlechtslos ist. Er schwebt über allem und dient als Projektionsfläche. Er wird in den Podiumsdiskussionen und in den Workshops vertreten sein.