arrow-right

Black Chai Stevia gegen digitalen Hass

Interview | Daily Bead Magzine

Berlin hat eine neue Hipsterband: Cloud Money, Cotto Okii und BLVTH alias Black Chai Stevia (BCS). Wenn sie nicht Vegan-Milchschnitte essen, Rappen oder in Latzhosen posieren, studieren sie zu zwei Drittel Lehramt. Und wohin lädt man vegane Großstadtgangster ein? Einen besseren Ort als die Blogfabrik konnten wir für die „Boyband 7.0“ nicht finden. Deshalb haben wir Cloud Money und Cotto Okii bei uns im Space getroffen und über Internet-Hate, Cloud-Rap und die Berliner Szene gesprochen. 

Was heute YouTube ist, war früher …

Cloud Money: MySpace. Das war das Ding, mit dem alles entstand. Ich habe da meinen ersten Mitbewohner kennengelernt, viele Freunde, Tom, einfach alle. Auch, was jetzt noch musikmäßig geht.

 

Dann macht ihr seit MySpace-Zeiten Musik zusammen?

Cotto Okii: Cloud Money und ich seit zehn Jahren.

 

Und einmal für alle: Wer ist Black Chai Stevia?

CO: Im Prinzip sind wir eine Supergroup: BLVTH hat über achthundert Likes bei Facebook; Cloud Money fast dreihundert und ich habe gar keine. Zunächst waren wir nur BLACK CHAI , aber dann haben wir BLVTH auf WeTransfer kennengelernt. Seitdem heißen wir Black Chai Stevia.

 

Bisher habt ihr mit euren Video zur ersten Single Hoodie ziemlich viel Hass im Netz kassiert. Wie schafft man das mit nur einem Song?

CO: Ich erinnere mich, wie bereits am Abend des Releases die ersten Kommentare gepostet wurden: „Bringt euch bitte um“, „Wir hätten euch früher kopfüber über die Mülltonnen gehalten.“ Mega!

Videolink: www.youtube.com/watch?v=QC3QD23DE_g

 

Ihr habt es mit den Lyrics und der Berliner Street-Style-Optik aber auch herausgefordert?

CM: Ja, das sind halt Parts, die wir aufgreifen, aber es ist jetzt nicht so, dass wir Berlin verkörpern oder irgendwen verarschen wollen. Maximale Seriosität ist uns dabei sehr wichtig.

CO: Wir sind eine „21st century Boyband“, die sich an allen Ecken bedient. Offensichtlich ist das für einige, die unbedingt ihr Genre verteidigen wollen, ein Problem. 

 

Mir wurde letztens gesagt: Diese Berlin-Hipster, die verbindet ja gar nichts mehr, nicht mal mehr Musik. Wie ist das bei euch?

CM: Endlich! Ich muss nicht Mitglied einer Szene sein, mich uniformieren oder einschränken. Wir wollen machen, worauf wir Bock haben, und das kann sich von Tag zu Tag ändern. 

CO: Ich weiß gar nicht, ob es so richtig eine Szene in Berlin gibt. Wahrscheinlich das letzte Mal zu Technozeiten, wa?

 

Woran kann das liegen, dass „die Szene“ verschwindet?

CO: Als Kids des Internets werden wir 24/7 aus allen Richtungen beeinflusst. Warum soll ich mich begrenzen, irgendetwas an mich nicht heranzulassen? Anderseits führt das, was wir machen, auch zu einer Reizüberflutung. Und wenn man das kanalisiert, kommt offensichtlich Internet-Hate dabei raus.

Sonst sind die eher soft, aber immer digital unterwegs, manchmal auch in Latzhose oder Camouflage. Foto: Andy Kassier

 

Aus welcher Ecke kommt ihr musikalisch? Hoodie klingt sehr nach Hip-Hop.

CM: Heute beeinflusst uns Renata Adler genauso wie Lil Yachty. Wenn wir aus irgendeiner Ecke kommen, dann aus der Berliner Indie-Punk-Nische. 

 

Die es vielleicht auch gar nicht mehr gibt? 

CM: Die Leute, die damals krass waren, sind heute weg.   

 

Eure Musik, euer Stil, dass ihr euch überall bedient, erinnert mich an Tumblr. 

CO: Ja, wie wenn man bei Tumblr einfach nur runterscrollt. Das ist natürlich erst einmal super oberflächlich, aber auch ganz geil. 17 Bilder in 2 Sekunden, turn up.

 

Wo wir bei Internet sind, seht ihr euch als Cloud-Rapper a la Yung Hurn?

CM: Mir sind Genres völlig egal. Nenn es, wie du magst.

 

Der Cloud-Rap-Style ist doch gerade ganz angesagt.

CM: Ralph Lauren-Cap, dünner Schnauzer, Hosen, die man nicht mehr hochkrempelt, weil sie so kurz sind; Vans, Hoodie, Bauchtasche oder North-Face-Jacke. Ja, kann sein.

CO: Ich finde es spannend, wenn man auf Cloud-Rap-Konzerten ist und sieht, wie ein kleiner Mikrokosmos entsteht. Diesen selben Look mal fünfhundert Besucher … 

CM: Im nächsten Moment löst sich diese Zugehörigkeit aber auch wieder auf. Dann gehst du mit den gleichen Klamotten skaten, Tennisspielen oder zu Kreator (Anm. d. Red.: deutsche Thrash-Metal-Band).

 

Die Beschreibung von eben passt auch ganz gut zu Shlohmo

CM: Shlohmo hat ja im Prinzip auch den Cloud-Rap-Sound geprägt. Bei der Shlo-Fi-Platte klang das ja schon ziemlich nach dem Kram von heute. Das ist ja letztlich ein alter Hut, nur die Mischung macht es irgendwie neu. 

 

Mehr von euch gibt es im neuen Video Kugelsicher, diesmal mit neuem Look und Boyband-Moves. 

CM: Ja, nachdem wir die Kommentare vom ersten Video gelesen hatten, dass wir Opfer wären und dass Mofas nicht cool sind, haben wir uns einen Styleberater von Zalando geholt. Der hat uns ‘nen getunten Honda und coole Fußballtrikots empfohlen, weil das gerade voll angesagt ist.

Headerbild: Andy Kassier

Das Interview erschien 2016 im Daily Bread Magzin der Blogfabik (Berlin).