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Keine Frau für Nebenrollen

Interview | i-D

Rote geschminkte Lippen, durchsichtige Bluse und an ihrem rechten Ohrläppchen trägt Karin Fornander, 30, zwei Ohrringe. Einen runden goldenen und ein Venussymbol. Die Mischung aus Kreis und Kreuz gilt als stilisierte Darstellung des Handspiegels der römischen Göttin der Liebe, meint aber auch einfach nur das weibliche Geschlecht. Seit den 1970er Jahren hat sich das Venussymbol als Zeichen der Frauenbewegung etabliert.

Die junge Schwedin Karin, die mir gegenübersitzt, ist Feministin, die ihre Ideen in Projekte steckt. Seit 2014 organisiert die Soziologiestudentin die Berlin Feminist Film Week. Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 08. März beginnt auch im dritten Jahr das sechstägige Festival, das in Kinos wie dem Babylon stattfindet, aber auch in Locations wie dem queeren Club Schwuz. Gezeigt werden 25 Filme aus über zehn Ländern, darunter einer aus Deutschland. Wir haben uns mit Organisatorin Karin Fornander über Filme und Feminismus unterhalten.

Karin, der 8. März ist ein besonderer Tag. Was bedeutet er für dich?
In diesem Jahr, dass unser Festival beginnt und zusammen mit dem Internationalen Frauentag. Das ein guter Anlass für Demos und um auf Frauenrechte aufmerksam zu machen. Die feministische Bewegung ist gerade stark.

Braucht man dann den Frauentag noch?
Idealerweise würden wir den Tag nicht mehr brauchen, doch so ist es leider nicht. Er ist wichtig, um jene zu erreichen, die nicht in der Bewegung sind.

Du kommst aus Schweden, wie begeht man da den Frauentag?
Ich kann mich nicht daran erinnern, wie es in meiner Jugend war. Aber doch heutzutage wird viel demonstriert und seit 2005 gibt es auch eine feministische Partei, die Feministiskt initiativ.

Wie kam die Idee zur Berlin Feminist Film Week auf?
Vor gut zwei Jahren habe ich ein Gastprogramm für das Mobile Kino gemacht. Ich wollte feministische Kurzfilme und auch Pornos zeigen. Nachdem ich Zeit hatte, dachte ich mir, warum nicht gleich ein ganzes Festival organisieren. Etwas ähnliches gab es schon in London, aber nicht in Berlin.

Habt ihr dann auch Kurzpornos gezeigt?
Im ersten Jahr haben wir tatsächlich ein paar Pornos gezeigt, ja.

In Berlin gab es 2014 noch kein Frauenfilmfest, aber warum gleich ein feministisches organisieren?
Ich habe in Berlin erlebt, dass die Filmlandschaft sehr männlich und weiß ist. Die großen und mittleren Kinos kaufen oft Hollywood-Blockbuster von männlichen Regisseuren und Filmemachern. Von Männern, mit Männern über Männer. Frauen oder nicht-weiße Menschen sind dabei oft passiv oder dienen zur Unterstützung des männlichen HauptdarstellersEhefrau, Mutter, Freundin—mit Nebenrollen kann ich mich nicht identifizieren. Wir wollten Filme zeigen, die keine platten Geschlechterrollen darstellen.

Ihr habt 2014 angefangen, wie hat sich das Festival seitdem entwickelt?
Wir haben mehr Filme, mehr Tage, mehr Diskussionen. Und zeigen auch in größeren Kinos wie dem Babylon. Im ersten Jahr war es noch sehr DIY.

Manchmal wird Feminismus falsch verstanden und als reine Frauenförderung wahrgenommen, aber das ist nicht euer Ziel?
Natürlich nicht, aber gerade in der Filmindustrie sollten Frauen gepusht werden und einen Platz bekommen. Feminismus ist deshalb nicht gleich schlecht für Männer. Es gibt auch Männer, die ihre Geschlechterrolle nicht gut finden. Es geht darum, dass alle ihre Identität so ausleben können, wie sie es wollen.

Feminismus heißt nicht gleich Alice Schwarzer. Wie lebst du das?
Für mich ist Feminismus die Gleichstellung der Geschlechter. Der Begriff hat für mich eine intersektionelle Bedeutung—er richtet sich gegen Diskriminierung und Rassismus. Gleiche Rechte für Frauen, Männer und Transgender.

Ist Feminismus in Deutschland verpönt?
Ich hatte das Gefühl, dass die Bewegung vor zehn Jahren noch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hatte. Heute ist das auf jeden Fall besser. Als ich vor zehn Jahren nach Hamburg kam, durfte ich mir anhören, warum ich Feministin sei, ich wäre doch zu schön dafür. Oder ich wurde gefragt, warum ich Make-up benutze. Das war merkwürdig. In den letzten Jahren hat Feminismus auch hier einen Aufschwung bekommen.

Was macht einen Film feministisch?
Manchmal ist es eine persönliche Entscheidung. Wir suchen uns Filme von Trans-/Frauen aus, Geschichten, die von weiblichen Protagonistinnen getrieben werden: Frauen, die nicht in Klischees dargestellt werden.

Hast du ein Beispiel?
Wir haben letztes Jahr den schwedischen Film Something Must Break gezeigt. Es war der erste Film, für den eine Transfrau den „Guldbagge“-Preis (schwedischer Oscar) als Hauptdarstellerin bekommen hat. Im Programm haben wir aber auch Dokumentarfilme, die mehr auf Frauenrechte eingehen oder Komödien.

Wenn Homosexualität in Filmen angesprochen wird, geht es oft um die Mann-Mann-Beziehung. Ich muss an Filme wie Brokeback Mountain denken.
Das stimmt, deshalb haben wir in diesem Jahr am Donnerstag ein Programm zur lesbischen Darstellung im Film. Wir zeigen den südafrikanischen Spielfilm While you weren’t looking und haben ein Panel darüber, wie lesbische Frauen auf der einen Seite sexualisiert und anderseits in der Medienlandschaft ausgeschlossen werden.

Welche Filme zeigt ihr noch?
Zur Eröffnung laufen experimentelle Kunstfilme, der Science-Fiction-Film Advantageous und es gibt eine Ausstellung, aber keine Pornos (lacht). Am Samstag läuft der Beitrag der bengalischen Filmemacherin Rubaiyat Hossain. In ihrem Spielfilm Under Contruction geht es um die moderne muslimische Frau. Der Sonntagsfilm CODE: De-Bugging the Gender Gap ist besonders für Berlin interessant. Er hinterfragt, warum so wenige Frauen und schwarze Menschen in der Tech-Industrie tätig sind, was man dagegen machen könnte und was anders wäre, würden mehr Frauen in diesem Bereich arbeiten.

Fast die Hälfte der Festivalfilme kommt aus den USA. Woran liegt das?
Eine Erklärung ist, dass wir alle Filme auf Englisch oder mit englischen Untertiteln zeigen. Wir bringen auch Filme aus Indien oder Brasilien auf die Leinwand. Doch die meisten Einreichungen haben wir tatsächlich aus den USA erhalten, aus Deutschland kam nicht so viel.

Wie habt ihr diese ausgewählt?
Wir haben 250 Einsendungen bekommen, die ich mit meiner Kollegin Lucia Martin durchgeschaut habe. Es ist immer schwierig, weil ich von Jahr zu Jahr tiefer in die Materie einsteige. Manchmal hängt die Entscheidung auch von ganz banalen Faktoren ab, ob der Film zum Beispiel schon im Kino lief. In diesem Jahr sind es etwas mehr Dokumentar- als Spielfilme.

Warum sind Dokumentarfilme unter Filmemacherinnen so beliebt?
Sie sind günstiger zu produzieren als zum Beispiel ein Science-Fiction-Film und deshalb auch mit einem kleineren Budget realisierbar.

Wie sieht es eigentlich bei der Unterstützung von Frauen in der Filmbranche aus?
Ich weiß, dass Frauen sowohl in Deutschland als auch in Schweden weniger Filmförderungen bekommen. Doch in Schweden wurde jetzt eine Frauenquote für die staatliche Unterstützung eingeführt. In Deutschland gibt es die Initiative Pro Quote Regie, die für eine Gleichstellung von Regisseurinnen eintritt.

Gibt es etwas, das du dir von der Filmindustrie wünschen würdest?
Dass sie vielfältiger wird. Nicht nur was die Repräsentation von Frauen betrifft, sondern auch verschiedene Kulturen, Hautfarben und Sexualitäten einbezieht. Ich habe gelesen, dass 2015 noch weniger Frauen auf der Leinwand waren als die Jahre davor.

Warum ist dir das so ein Anliegen?
Mir macht es keinen Spaß mehr, nur Filme mit Männern zu sehen. Gerade Film ist ein Medium, mit dem Missstände, aber auch eine idealisierte Zukunft gezeigt werden können. Man muss sich repräsentiert fühlen.

Zuerst veröffentlich auf i-D, März 2016.